Von Andrea Fischer
In der Wahlkampagne von Obama wurde das Thema immer wieder angestimmt: dass es in Washington auf die gute Zusammenarbeit zwischen den Parteien ankäme, zum Wohle des amerikanischen Volkes. Auf amerikanisch heißt die parteiübergreifende Zusammenarbeit bipartisanship. Viele Nachrufe gelten letzterer in diesen Tagen, in denen die stimulus bill – das große Gesetzespaket, mit dem fast 800 Mrd. US-Dollar für die amerikanische Wirtschaft und Bevölkerung zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise mobilisiert werden sollen – in beiden Häusern der amerikanischen Politik eine Mehrheit erhalten hat.
Denn die Zustimmung ist im Kongress mit einer demokratischen Mehrheit zustande gekommen und im Senat haben nur drei Senatoren der Republikaner zugestimmt, also auch diese Mehrheit war so gut wie ausschließlich demokratisch.
Verachtung für organisierte Politik
Zum Wahlsieg Obamas hat die Unzufriedenheit mit „Washington“ nicht wenig beigetragen, mit „Washington“ waren in der Regel zwar die republikanische Regierungsmehrheit und ihre kontroversen Entscheidungen gemeint, aber es gibt auch eine starke grundsätzliche Abneigung gegen die Politik „der da oben“.
Wir kennen das aus Deutschland, wo die Unzufriedenheit mit „Berlin“ (früher „Bonn“) ein starkes Motiv ist, das nicht selten von mehr als der deutlichen Ablehnung von konkreten Maßnahmen gespeist ist, sondern auch von einer gewissen Verachtung für organisierte Politik. Da ist Überparteilichkeit ein Motiv, hinter dem der Wunsch steckt, Politiker mögen sich jenseits von Parteien zusammenfinden, um endlich die guten, nicht parteilich geprägten Maßnahmen im Interesse aller Menschen zu beschließen.
Die unverkennbare Wirtschaftskrise ist ein guter Anlass, diese Forderungen zu verstärken und ihnen endlich auch Gehör in der realen Politik zu verschaffen. Sollte man derzeit meinen und daher auch erwarten, dass dieser Anlass auch in der amerikanischen Politik gerne ergriffen wird. Was das betrifft, so war das „stimulus-package“ kein Erfolg oder – um es mit Philip Levy vom konservativen American Enterprise Institure zu sagen – Obamas Bemühungen um Überparteilichkeit waren vermutlich das größte Opfer der Bemühungen um das Paket in beiden Häusern.
Die Haltung der Republikaner
Die Republikaner wissen um die Gefahr, jetzt als Verhinderer der Anstrengungen um eine Wiederbelebung der amerikanischen Wirtschaft dazustehen. Schließlich spüren alle Amerikaner, wie sie diese Rezession betrifft. Von den inzwischen fast 700 000 formell Arbeitslosen über die Menschen, die ihre Häuser verlassen müssen, weil sie die Raten für sie nicht mehr bezahlen können, bis hin zu eigentlich gut abgesicherten Menschen, deren Rente später gezahlt werden wird, weil ihre Rentenfonds an den Aktienmärkten viel Geld verloren haben. Also bemühen sich die Republikaner auf allen Kanälen zu erklären, warum das Paket den Eindruck erwecken wird, dass es nicht weit her mit Obamas Überparteilichkeit war. Der unterlegene Senator McCain wird überall mit den Worten zitiert, dass dies ein schlechter Start für die Obama-Regierung war. Man habe zwar anfangs ein paar Nettigkeiten mit Obama ausgetauscht, aber in keiner Hinsicht habe man miteinander über das Paket verhandelt.
Aber sehen wir mal davon ab, dass sich die Republikaner darüber beschweren, sie seien nicht gut genug behandelt worden, ihre Kritik richtet sich zum einen dagegen, dass zu viel Geld mit zu unsicheren Aussichten ausgegeben werden und dass zum anderen das Geld nicht richtig ausgegeben wird: zu wenig Steuersenkungen, zu viel Sozialpolitik, zu viele Ausgaben für staatliche Politik. Allein an dieser Aufzählung wird deutlich, dass die Differenzen die üblichen Trennlinien zwischen den Parteien betreffen. Sie sind in den USA noch deutlicher als zwischen den deutschen Parteien.
Zustimmung für Obama wächst
Obwohl man bei einem solchen Vergleich immer bedenken sollte, dass die Ausgangspunkte sehr unterschiedlich sind, schließlich ist die Absicherung der Amerikaner im Fall der Arbeitslosigkeit viel geringer. Allein der – insgesamt gesehen eher geringe – Teil des Pakets, der Arbeitslosen bei der Aufrechterhaltung ihrer Krankenversicherung helfen soll, wäre in Deutschland nicht erforderlich. Der größere Teil geht in Hilfen bei den Steuern für wenig verdienende Amerikaner und geht in die Unterstützung von staatlichen Hilfen für Investitionen, sowohl in die allgemeine Infrastruktur als auch für Schulen. Hilfen, die die einzelnen Staaten dringend brauchen, denn deren staatliche Budgets sind als Folge der Krise drastisch gekürzt worden.
Die Mehrheit der Menschen befürwortet diese Art der Stützung der Wirtschaft – vermutlich in der Hoffnung, dass sie persönlich diese Fördermaßnahmen spüren werden. Jedenfalls sind die Zustimmungsraten in den Umfragen für die Obama-Regierung in den letzten Tagen deutlich gestiegen; sie rangieren von 65 Prozent bei Gallup und PEW bis zu 75 Prozent bei CNN.
Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, immerhin wurde Obama nur mit etwas über 50 Prozent der Stimmen gewählt. Die Republikaner haben mit ihrer weitgehenden Ablehnung des gesamten Pakets der Obama-Regierung die alleinige Verantwortung für diese teure Maßnahme zugeschoben. Es wäre sicher garstig zu unterstellen, dass die Republikaner jetzt hoffen, dass sich das von ihnen so hart bekämpfte Förderpaket für die Wirtschaft nicht positiv auswirkt, damit sie in ein oder zwei Jahren sagen können, ihre Skepsis sei berechtigt gewesen.
Medien bewerten das Förderpaket positiv
In den Zeitungen hier wird jedenfalls behauptet, dass Obama mit dem Paket einen historischen Erfolg erreicht hat. Dies bezieht sich nicht nur darauf, dass es noch nie ein Förderpaket in dieser Höhe gegeben hat, wohl aber auch darauf, dass noch nie – mit der Ausnahme von Franklin D. Roosevelt in seiner ersten Amtszeit – ein Präsident in seinen ersten Wochen im Amt derartig viele Maßnahmen durch Kongress und Senat gebracht hat.
Das wird Obama als Ausweis von Stärke zugeschrieben. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass dieses Paket vergleichsweise einfach war, gemessen an den Aufgaben, die noch auf Obama warten – Gesundheitsversorgung, Klimapolitik, von den außenpolitischen Herausforderungen ganz zu schweigen. Dafür wäre die Möglichkeit, überparteiliche Kompromisse schließen zu können, sicher hilfreich. Dass das bislang nicht möglich war, muss ja nicht heißen, dass es für die Zukunft immer ausgeschlossen ist.
Vielleicht, wenn die Republikaner ihre Wunden nach dem Verlust der Macht geleckt haben und sie in einer Zusammenarbeit mit einer Regierung, die große Zustimmung in der Bevölkerung genießt, auch Vorteile für sich sehen.
Andrea Fischer, ehemalige Bundesministerin für Gesundheit, ist Kommunikationsberaterin und publizistisch tätig, unter anderem als Kolumnistin beim Berliner "Tagesspiegel" und der "Financial Times Deutschland".
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